TOTAL blockiert?! Meine parlamentarische Beobachtung der Klimaproteste in Belgien

Der französische Energiekonzern TotalEnergies plant weltweit neue fossile Förderprojekte die hunderte Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen würden. Doch Total hat die Rechnung ohne die Klimabewegung gemacht! Ich war als parlamentarischer Beobachter bei „Code Rouge“ in Feluy vor Ort.

Malte in Warnweste auf den Schienen. Im Hintergrund ein Transparent mit der Aufschrift "Think Global Block Total".
Diese Schienen führen zu Ölraffinerie Feluy. © Malte Gallée

Wir leben längst in einer Klima-Dystopie: Jahrhundertfluten zerstören ganze Dörfer. Im Sommer danach regnet es so lange nicht, dass Wälder entweder vertrocknen oder abbrennen. Schon seit Jahren kämpfen Aktivist*innen und große Teile der Zivilbevölkerung, dass wir die überlebenswichtige Grenze von 1,5-Grad-Erderhitzung nicht überschreiten. Und große Ölkonzerne? Bauen weiter fossile Infrastruktur. Dass die Zivilgesellschaft das nicht mit sich machen lässt, hat sie vor zwei Wochen vor zwei Raffinerien von TotalEnergies in Belgien gezeigt.

Am Wochenende vom siebten bis neunten Oktober haben rund 1.000 Klima-Aktivist*innen die Raffinerien des französischen Ölkonzerns TotalEnergies in Feluy und Liège, in Belgien, blockiert. Klimaaktivist*innen aus 24 verschiedenen Gruppen aus ganz Belgien haben diese Aktionen des zivilen Ungehorsam mit dem Titel “Code Rouge-Rood” organisiert. Der Protest wurde von einer Demonstration in Écaussines, in der Wallonie, begleitet. Als parlamentarischer Beobachter habe ich bei dem gewaltfreien Protest in Feluy die Polizei beobachtet und ihr Verhalten dokumentiert, um Protestierende vor Polizeigewalt zu schützen und einer Eskalation zuvor zu kommen.

34 Millionen weitere Tonnen CO2 pro Jahr durch eine Pipeline

Mit der Aktion wollten die Klimaaktivist*innen zum einen Aufmerksamkeit auf die sich entfaltende Klimakatastrophe lenken. Zum anderen wollten sie den Druck auf Industrie und Politik erhöhen, Subventionen klimaschädlicher Energien zu beenden und deutlich schneller aus fossilien Energieträgern auszusteigen.

Ca 30 Aktivist*innen auf den Schienen vor einem Tankwaggon, viele haben weiße Malereianzüge an einige rote Overalls. Die meisten sitzen. Am Waggon hängt ein Transparent: "TOTAL DESTRUCTION #STOPEACOP", das Total-Zeichen sieht aus als würde Öl heruntertropfen.
Klimaaktivist*innen blockieren die Schienen vor der Raffinerien. Einige haben sich an Waggons gekettet. © Malte Gallée

In diesem Moment plant unter anderem TotalEnergies, eine über 1.400 km lange Ölpipeline (EACOP) aus dem Herzen Ugandas bis nach Tanga in Tanzania zu bauen. Einmal in Betrieb genommen, wäre sie für 34 Millionen weitere Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verantwortlich. Darüber hinaus verläuft die beheizte Pipeline durch mehrere Nationalparks, Naturschutzgebiete und Gebiete der indigenen Bevölkerung beider Länder. Schätzungen zufolge sollen hierfür mehr als 500 Haushalte zwangsumgesiedelt und 2000 Quadratmeter Lebensraum von Wildtieren dem Risiko einer Ölkatastrophe ausgesetzt werden. Außerdem rückt durch die zusätzlichen Emissionen, die das geförderte Öl voraussichtlich veursachen wird, das Unterschreiten der 1,5-Grad-Marke in unerreichbare Ferne! Deswegen haben wir im EU-Parlament dagegen auch schon eine Resolution verabschiedet.

Ziviler Ungehorsam: Radikal angemessen

Die Protrestierenden haben also mutig zivilen Ungehorsam gegen den Bau von EACOP durch TotalEnergies geleistet. Sie haben große persönliche Risiken auf sich genommen, um ihren Protest direkt auf die Straße zu bringen, zum Beipsiel das Risiko von Gewalt und Repressionen durch die Polizei oder andere “Sicherheitsdienste”, körperliche Schmerzen oder Verletzungen.

Das klingt vielleicht zuerst radikal. Doch wenn man bedenkt, dass eine Erderhitzung über 1,5 °C zu irreversiblen, potenziell apokalyptischen Schäden der planetaren Ökosystemen führen wird, sind solche Aktionen nötig. Nötig, um mediale Aufmerksamkeit und politischen Druck zu erzeugen.

Dicke Polizei-Einsatzfahrzeuge mit vergitterten Fenstern, Flutlicht, evtl ein Wasserwerfer auf der Straße, dazwischen zwei in die Gegenrichtung gewandte Polizist*innen.
Die Polizei hatte schweres Gerät mitgebracht. © Malte Gallée

Als parlamentarische*r Beobachter*in Polizeigewalt verhindern und dokumentieren

In meiner Rolle als parlamentarischer Beobachter (“legal observer”) habe ich den Protest begleitet und hätte eventuelle Unverhältnismäßigkeiten oder Gewalt aufseiten der Polizei dokumentiert. Als weißer Mann und Mitglied des Europäischen Parlaments bin ich mir bewusst, dass ich Privilegien und auch Macht besitze – und diese will ich nutzen, um Menschen zu schützen.

In möglichen Konfliktsituationen können parlamentarische Beobachter*innen zwischen Protestierenden und Polizist*innen vermitteln und Eskalation und Rechtsbrüche auf beiden Seiten abwenden. Polizeigewalt kann entweder präventiv verhindert werden oder ihre Dokumentation hilft, sie im Nachgang aufzuklären, zu veröffentlichen und nachzuverfolgen. Zum Glück wurde ich in Feluy weder Zeuge von Polizeigewalt noch wurden solche an mich herangetragen.

Die Zukunft ist erneuerbar

Solche Aktionen sind nicht nur wichtig, um auf die Gefahren von fossilen Großprojekten hinzuweisen, sie verdeutlichen auch aufs neue, wie angreifbar zentralisierte Energiesysteme sind. Wirkliche Energiesicherheit erreichen wir nur, wenn wir sie regional und dezentral produzieren und durch ein engmaschiges Netz europaweit Schwankungen ausgleichen können.