Pressemitteilung: Politische Einigung im Trilog zu Verbraucher*innenkrediten
Verbraucher*innenkredite sind sehr populär geworden. Doch Geld leihen kostet immer Geld. Deswegen braucht es einheitliche Regeln zur Kreditvergabe, bei denen Verbraucher*innenschutz an erster Stelle steht. Deswegen haben wir uns nun auf ein neue EU-Richtlinie geeinigt.

Verbraucher*innenkredite sind insbesondere durch die Auswirkungen der Pandemie und der derzeitigen Inflation sehr populär geworden. Rapide angestiegene Strom- und Gasrechnungen, gestiegene Mieten und erhöhte Lebensmittelpreise setzen Verbraucher*innen unter immensen Druck. Kredite sind deswegen für viele Menschen die einzige Möglichkeit, trotz angespannter Haushaltslage größere Einkäufe zu tätigen. Dafür braucht es einheitliche Regeln zur Kreditvergabe, bei denen der Schutz der Verbraucher*innen an erste Stelle steht.
Am Morgen des 2. Dezembers haben das Europäische Parlament, der Rat und die EU-Kommission im Trilog eine Einigung über die Richtlinie für Verbraucher*innenkredite erreicht. Diese regelt, wie Verbraucher*innen in der EU geschützt werden, wenn sie einen Kredit aufnehmen. Ausgenommen sind Immobilienkredite, die in einer separaten Richtlinie geregelt werden. Sie zielt insbesondere darauf ab, einkommensschwache Haushalte vor Überschuldung und finanziellen Schwierigkeiten zu schützen. Die derzeitige Fassung der Verbraucher*innenkreditrichtlinie stammt aus dem Jahr 2008, deswegen ist die Überarbeitung eine wichtige Anpassung an das digitale Zeitalter. Sie schützt Verbraucher*innen zuverlässig vor gefährlichen Geschäftspraktiken.
Der Grüne Europaabgeordnete Malte Gallée, Schattenberichterstatter für die Verbraucher*innenkreditrichtlinie für die Fraktion Grüne/EFA, kommentiert:
“Die heutige Einigung ist eine dringend notwendige Anpassung der EU-Verbraucher*innenkreditrichtlinie an die wachsende Verfügbarkeit von Kreditprodukten im Internet sowie an den allgemein steigenden Bedarf an Verbraucher*innenkrediten. Die neue Richtlinie verbessert den Verbraucher*innenschutz im Kreditbereich und leistet einen wichtigen Beitrag, um wachsende Überschuldung der Verbraucher*innen zu verhindern.
Verbraucher*innenkredite können mit hohen Kosten verbunden sein, auch wenn diese nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sind. Denn ein nicht bezahlbarer Kredit für Verbraucher*innen stopft das Loch im Portemonnaie nicht, sondern vergrößert es.
Wir Grüne konnten während der Trilog-Verhandlungen erfolgreich unsere Hauptpunkte durchsetzen. Insbesondere ist uns gelungen, den Geltungsbereich so umfassend zu erweitern, dass die Richtlinie nun viel mehr Verbraucher*innen schützt. Was aussieht, wie ein Kredit, soll auch behandelt werden wie ein Kredit.
Wir schützen Verbraucher*innen vor unangemessen teuren Kreditprodukten, indem wir beispielsweise die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, Wucherzinsen zu unterbinden. Verbunden mit einer soliden Kreditwürdigkeitsprüfung wollen wir Schuldenspiralen verhindern.”
Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Punkte der Vereinbarung:
Umfassender Geltungsbereich bezieht fast alle relevanten Formen von Krediten mit ein
Durch den breiten Anwendungsbereich, festgelegt in Artikel 2, fallen zukünftig die meisten Verbraucher*innenkredite unter diese Richtlinie. Dazu gehören zinslose Kredite, auch bekannt als "Buy-now-pay-later"-Produkte (BNPL). BPNL, die bisher nicht in den Anwendungsbereich gefallen sind, sind wesentliche Treiber von Überschuldung. Eine Studie von Finance Watch vom März 2022 (siehe S. 9-11) belegt, dass die Nutzer*innen von BNPL hauptsächlich Menschen mit geringem Einkommen sind. Außerdem sind besonders junge Leute betroffen.
BNPL zu regulieren, war dringend notwendig, denn bei zu später oder ausfallender Rückzahlung drohen oft hohe Raten, über die bei Kreditvergabe nicht ausreichend aufgeklärt wird.
Aufgeschobene Debitkarten fallen unter bestimmten Umständen standardmäßig in den Anwendungsbereich, aber die Mitgliedstaaten könnten sich dafür entscheiden, sie auszuschließen. Ähnlich wie bei Kreditkarten können hier Verbraucher*innen mehr ausgeben, als ihnen zur Verfügung steht. Daher ist es sinnvoll, dass der Geltungsbereich Debitkarten mit Zahlungsaufschub einschließt.
Die Konservativen wollten “Endgeräte für die elektronische Kommunikation” vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen. Hier haben sich Rat und Kommission mit Unterstützung der Grünen gegen die Position der Fraktionen EPP, Renew, ECR und ID durchgesetzt. Hiermit schafft die Richtlinie ein “level playing field”, das den Einzelhandel, der eigene Kredite beim Verkauf von Endgerätes zur elektronischen Kommunikation vergibt, nicht bevorteilt. Insbesondere der Kauf von Smartphones, Tablets oder Laptop kann einen Grund zur Überschuldung darstellen.
Starke und angemessene Bonitätsprüfungen für alle Kreditverträge
Jede Kreditvergabe braucht eine faire Bewertung der Kreditwürdigkeit. Deswegen sichert die neue Richtlinie, dass nur finanzielle Daten eine Rolle spielen. Persönlichen Daten von Verbraucher*innen (z.B. aus den Sozialen Medien) dürfen nicht in die Kreditwürdigkeitsprüfung mit einbezogen werden. Das schützt persönliche und sensible personenbezogene Daten.
In der Vergangenheit wurde das Schwert des finanziellen Verbraucherschutzes, die Kreditwürdigkeitsprüfung, oft nur stumpf verwendet: teilweise reichten mündliche Aussagen oder es wurden Kredite auch bei negativer Kreditwürdigkeitsprüfung vergeben. Damit ist jetzt Schluss. Kredite dürfen fortan nur vergeben werden, wenn sie auch zurückgezahlt werden können, was in Zukunft Verbraucher*innen vor Überschuldung schützen wird.
Wenn die Bonitätsprüfung ein Profiling oder eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten beinhaltet, unterstützt die Richtlinie die Verbraucher*innen darin, menschliche Hilfe zu verlangen.
Einheitliche Sanktionsbestimmungen und Kostenobergrenzen
Leider hat sich das Europaparlament bei der Harmonisierung Sanktionen nicht durchsetzen können: Einheitliche Sanktionsbestimmungen wären sehr wichtig gewesen, da die Richtlinie nicht immer eingehalten wird, insbesondere im Hinblick auf die Bonitätsprüfung. Des Weiteren kam es zu keiner Einigung für eine harmonisierte Kostenobergrenze. Dies wäre ein wichtiges Instrument zum Schutz der Verbraucher*innen vor Überschuldung gewesen. Bedauerlicherweise ließ der Rat es nicht zu, für alle Mitgliedstaaten Kostenobergrenzen einzuführen, wie es die Fraktion Grüne/EFA im Sinne der Verbraucher*innen gefordert hatte.
Nach dieser politischen Einigung wird es weiterhin Verhandlungen auf der technischen Ebene geben.
Weitere Informationen über Malte Gallées Arbeit zu Verbraucher*innenkreditrichtlinie finden Sie auf seiner Website. Des Weiteren finden Sie hier den Kommissionsvorschlag (30.6.2021), die Position der Rapporteurin im IMCO Auschuss des EU-Parlaments (31.1.2022) und Malte Gallées Änderungsanträge im IMCO-Ausschuss (10.03.2022), sowie die Position des EU-Parlaments (25.8.2022).
Melden Sie sich gerne bei Rückfragen oder dem Wunsch nach einem Interview.
Pressekontakt:
Frederik Meissner
Kommunikation & Presse für MEP Malte Gallée
E-Mail: malte.gallee@europarl.europa.eu
Telefon: + 3222845369
Übersicht Linkliste:
Kurz-Infos zu Verbraucher*innenkrediten auf der Website von Mallte Gallée:
https://maltegallee.eu/topics/credits
30.6.2021
Vorschlag der EU-Kommission zur Richtlinie über Verbraucherkredite:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52021PC0347
31.1.2022
Position der Rapporteurin Kateřina Konečná im IMCO Ausschuss des EU-Parlaments:
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/IMCO-PR-696560_EN.html
10.03.2022
Änderungsanträge von Malte Gallée im IMCO Ausschuss zum Kommissions-Vorschlag:
https://www.dropbox.com/s/tbu1jg47st57pqi/10.03.2022%20CCD%20%C3%84nderungsantr%C3%A4ge%20Gall%C3%A9e%20IMCO%20Ausschuss%20zum%20Kommissions-Vorschlag.pdf?dl=0
25.8.2022
Position des EU-Parlaments nach Erster Lesung im Plenum:
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2022-0212_EN.html