Verbraucher*innenkredit-Richtlinie
Die Verbraucher*innenkredit-Richtlinie (Consumer Credit Directive, CCD) regelt, wie Verbraucher*innen in der EU geschützt sind, wenn sie einen Kredit aufnehmen. Insbesondere geht es darum, einkommensschwache Haushalte vor Überschuldung und finanziellen Schwierigkeiten zu schützen.

Die Verbraucher*innenkredit-Richtlinie (Consumer Credit Directive, CCD) regelt, wie Verbraucher*innen in der EU geschützt sind, wenn sie einen Kredit aufnehmen. Insbesondere geht es darum, einkommensschwache Haushalte vor Überschuldung und finanziellen Schwierigkeiten zu schützen. Ausgenommen sind Immobilienkredite – diese werden in einer separaten Richtlinie geregelt. Die aktuelle Fassung der CCD stammt aus dem Jahr 2008. Sie ist weder fit für's digitale Zeitalter noch schützt sie Verbraucher*innen zuverlässig vor gefährlichen Geschäftspraktiken. Deshalb gibt es jetzt ein dringend nötiges Update für die Regeln.
Meine Priorität in den Verhandlungen war es, die sogenannten Buy now, pay later Angebote sicherer zu machen. Diese Kredite sind nämlich heute noch nicht an eine Kreditwürdigkeitsprüfung gebunden. Firmen wie Klarna weisen darauf hin, dass nur ein sehr kleiner Anteil ihrer gesamten Kundschaft diese Kredite benutzt. Aber auf genau die kommt es an. Denn es ist klar, dass Kredite hauptsächlich von Verbraucher*innen genutzt werden, die nicht direkt bezahlen möchten.
Der Weg zum Gesetz
Ich war der Schattenberichterstatter in den Verhandlungen zu diesem Gesetzesentwurf. Schattenberichterstatter*innen vertreten die Meinung ihrer Fraktion gegenüber dem oder der Rapporteur*in, der / der “Haupt” Berichterstatter*in, der/die für die Position des Parlaments zum Gesetzesentwurf verantwortlich ist.
Meine Schwerpunkte für in den Verhandlungen die Verbraucher*innenkredit-Verordnung
- Soziale Gerechtigkeit
- Vulnerable Haushalte schützen und Überschuldung vorbeugen
- Gleiche Rechte für alle (Level Playing Field)
- Strenge Standards beim Verbraucher*innenschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Kreditgeber:innen
- Verantwortungsvolle Kreditvergabe
- Nachhaltige und verantwortungsvolle Kreditvergabepraxis fördern
Meine Änderungsvorschläge während den Verhandlungen
1. Möglichst breiter Anwendungsbereich der CCD
Auch Kredite unter 200 Euro, Buy-now-Pay-Later-Angebote, Überziehungskredite, Leasingverträge (mit oder ohne Kaufoption) und Pfandleihverträge müssen erfasst werden. Das alles sind risikoreiche Kredite, die oft an vulnerable Verbraucher*innen vertrieben werden und im schlimmsten Fall in die Überschuldung führen.
2. Konsequente Prüfung, ob Verbraucher*innen sich Kredite leisten können
Keine Kreditvergabe ohne eine faire Überprüfung der Kreditwürdigkeit. Dabei dürfen einzig und allein Finanzdaten eine Rolle spielen. Alle anderen persönlichen Daten wie Social Media Konten, ethnischer Ursprung, politische Überzeugungen oder Gesundheitsdaten haben in der Kreditwürdigkeitsprüfung nichts verloren.
3. Vergleichbarkeit von Angeboten verbessern
Heute werden Verbraucher*innen vor Vertragsschluss oft mit Informationen regelrecht überschwemmt. Was jedoch fehlt, sind Informationen über die negativen Folgen und Kosten bei versäumten Rückzahlungen. Deshalb: Informationsflut für die Verbraucher*innen begrenzen und stattdessen die entscheidenden Elemente von Kreditangeboten hervorheben. Außerdem sollten Verbraucher*innen stets einen konkreten Tilgungsplan einschließlich sämtlicher Kosten und Gebühren erhalten.
4. Irreführende und verlockende Werbung verbieten
Keine Kreditwerbung mehr, die zur Überschuldung verleitet oder zielgerichtet auf persönlichen Daten basiert.
5. Verfügbarkeit von ökologisch nachhaltigen Verbraucher*innenkrediten sicherstellen
Derzeit gibt es nicht überall in der EU ein breites Angebot an ökologisch nachhaltigen Krediten, z. B. für emissionsarme Fahrzeuge oder energieeffiziente Renovierungen. Außerdem sind diese Kredite oft sehr teuer. Hier braucht es flächendeckend günstige Angebote in der gesamten EU.
6. Wucher stoppen
Viele Angebote verlangen heute unangemessen hohe Zinsen und/oder Gebühren. Dagegen hilft die Einführung verbindlicher Obergrenzen für den „effektiven Jahreszins".
Das haben wir Grüne erreicht
Keine Ausnahme für bestimmte Branchen
Die Konservativen wollten “Endgeräte für die elektronische Kommunikation“ unter bestimmten Voraussetzungen vom Geltungsbereich der Richtlinie ausschließen. Hier setzten sich Rat und Kommission mit Unterstützung der Grünen gegen die Position der EVP durch. Damit schafft die Richtlinie ein „level playing field“, das keine Bevorzugung von Händlern vorsieht, die beim Verkauf von Endgeräten für die elektronische Kommunikation eigene Gutschriften gewähren. Insbesondere der Kauf von Smartphones, Tablets oder Laptops kann ein Grund für eine Überschuldung sein.
Nachsichtsmaßnahmen
Nachsichtsmaßnahmen werden verpflichtend sein, um proaktiv und frühzeitig mit aufkommenden Kreditrisiken umzugehen. Gläubiger werden verpflichtet, Verbraucher*innen bei Schwierigkeiten beizustehen und Gebühren zu erheben, die nicht höher sind als nötig, um die durch einen Zahlungsausfall entstandenen Kosten auszugleichen. Dieser Punkt war für uns sehr wichtig. Vor allem angesichts der aktuellen hohen Lebenshaltungskosten.
Registrierung der Gläubiger
Nichtbankgläubiger und Kreditvermittler unterliegen einem Zulassungsverfahren sowie der Registrierung und Aufsicht durch nationale unabhängige Behörden. Das ist eine gute Nachricht, denn nur wer registriert ist, kann ordnungsgemäß beaufsichtigt werden. Ein kleiner Nachteil für uns ist, dass Kleinstunternehmen und KMU von dieser Registrierung ausgeschlossen sind.
Überziehungskredite und Kreditüberschreitungen
Da es sich bei Krediten um eine teure Kreditform handelt, werden diese Finanzprodukte nun besser reguliert, um eine Überschuldung zu vermeiden
Widerrufsrecht
Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass Verbraucher*innen das Recht haben, innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen von einem Kreditvertrag zurückzutreten.
FAQ
Sind Verbraucher*innenkredite pauschal schlecht oder gefährlich?
Ob ein Kredit sinnvoll oder gefährlich ist, kommt immer auf die individuellen Umstände an. Denn das Risiko hängt nicht von der Kreditsumme ab. Und genau um diese Frage geht es bei der sogenannten Kreditwürdigkeitsprüfung. Die Faustregel lautet: Kredite, die ich mir nicht leisten kann, lösen keine Probleme – sie schaffen nur neue, größere Probleme.
Genau deswegen sind z.B. auch die populären „buy now pay later“-Angebote (BNPL) alles andere als harmlos, obwohl große Teile der Branche das Gegenteil beteuern. Das Problem: Momentan werden diese Kredite oft ohne ernsthafte Kontrollen vergeben. Wer nicht rechtzeitig zurückzahlt, bekommt es schnell mit satten Strafgebühren und Inkassounternehmen zu tun. Mit verantwortungsvoller Kreditvergabe hat das nichts zu tun. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass auch bei solchen kleinen, kurzlaufenden oder zinslosen Krediten die vollen Regeln der Verbraucher*innenkreditrichtlinie gelten.
Was bedeutet „verantwortungsvolle Kreditvergabe“?
Das bedeutet: Die Kreditgeber:innen agieren im besten Interesse ihrer Kundschaft und vergeben Kredite nur an die, die sich das auch leisten können. Aber können die Verbraucher*innen nicht einfach selbst entscheiden, was sie brauchen und was sie sich leisten können? Klar, und das machen auch die meisten! Aber wer unter finanziellem Druck steht, kann oft keine freie, gut informierte und abgewogene Entscheidung treffen. Um die vulnerabelsten Verbraucher*innen zuverlässig vor unverantwortlichen Geschäftspraktiken zu schützen, reichen Informationen, Transparenz und Finanzbildung allein also nicht aus. Die verantwortungsvolle Kreditvergabe muss für alle Anbieter zur Pflicht werden – ohne Schlupflöcher. Und genau dafür setze ich mich ein.
Was ist eine Kreditwürdigkeitsprüfung?
Die Grundidee ist: Kredite werden nur vergeben, wenn die Anbieter es für zumindest wahrscheinlich halten, dass der:die Kreditnehmer:in die Vertragsbedingungen einhalten kann (also alle Gebühren und Rückzahlungen zu den vereinbarten Zeitpunkten leistet). Dabei sollen sich Anbieter ausschließlich auf relevante finanzielle Informationen stützen dürfen. Wo Kreditwürdigkeitsprüfungen vollautomatisch durchgeführt werden, muss Verbraucher*innen das mitgeteilt werden. Außerdem sollten diese bei einer negativen Kreditentscheidung durch den Computer immer die Möglichkeit haben, eine menschliche Bewertung zu erhalten.
Warum brauchen wir strenge Regeln für Werbung?
Das Ziel von allen Kreditanbieter:innen ist natürlich: So viel Kredite vergeben wie irgendwie möglich, denn schließlich verdienen sie so ihr Geld. Doch Kredite können für Verbraucher*innen gefährlich sein und beispielsweise in die Überschuldung führen. Besonders wichtig ist mir, dass es für Verbraucher*innenkredite keine personalisierte Werbung geben darf. Zum Beispiel wäre es verheerend, wenn unseriöse Anbieter gezielt Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten ansprechen könnten. Außerdem sind Kund:innen oft mit irreführender Werbung konfrontiert. Hier braucht es strenge und einheitliche Regeln, um die bewusste Täuschung von Verbraucher*innen zu verhindern.
Was jetzt?
Die Trilog-Verhandlungen wurden am 2. Dezember 2022 abgeschlossen (siehe Pressemitteilung). Nach dieser politischen Einigung wurden die Verhandlungen auf der technischen Ebene fortgeführt. Am 13. September 2023 haben alle Abgeordneten final über diese Richtlinie abgestimmt. Ich habe mit der FAZ über die Richtlinie gesprochen: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/schulden-beim-online-kauf-wie-die-eu-verbraucher-besser-schuetzen-will-19169184.html
Dieses Gesetz ist eine Richtlinie (Directive), also ein Rechtsakt, der Mitgliedstaaten verpflichtet, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, aber den nationalen Behörden Spielraum bei der Art und Weise der Umsetzung lässt. Die Mitgliedstaaten werden bis zum 20. November 2025 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen erlassen und veröffentlichen. Die Mitgliedstaaten wenden diese Maßnahmen dann ab dem 20. November 2026 an.