EU-Lieferketten-Richtlinie
Die Globalisierung hat die Art und Weise, wie wir Güter konsumieren und produzieren, massiv verändert. Dies führt dazu, dass europäische Unternehmen über immer größer werdende, verflochtene und intransparente Liefer- und Produktionsketten verfügen.

Die Globalisierung hat die Art und Weise, wie wir Güter konsumieren und produzieren, massiv verändert. Dies führt dazu, dass europäische Unternehmen über immer größer werdende, verflochtene und intransparente Liefer- und Produktionsketten verfügen. Für den Endverbraucher ist oft nicht ersichtlich, dass auf dem Weg zum Endprodukt die Menschenrechte sowie die Gesundheit von Mensch und Planet gewahrt wurden.
Die Art und Weise, wie europäische Unternehmen ihre Waren produzieren, hat Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen auf der ganzen Welt. Beispielsweise ist allein die Textilindustrie für 10 % der jährlichen weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, und 73 % der in der EU verkauften Textilien werden von außerhalb der EU importiert. Die Arbeitsbedingungen sind nachweislich miserabel und die chemische Verschmutzung aus den Fabriken verfärbt ganze Flüsse.
All dies zeigt: Zur Wahrung der Menschenrechte reichen freiwillige und unverbindliche Verpflichtungen nicht aus. Europäische Unternehmen müssen Verantwortung für ihre Produktionsketten übernehmen und aufräumen. Viele von ihnen tun dies bereits, indem sie die freiwilligen Standards der UN und der OECD befolgen. Das Lieferkettengesetz wird auf diese bestehenden Sorgfaltspflichtstrukturen aufbauen und sie verbindlich machen. Von nun an müssen Unternehmen Menschen und deren Einwilligung in ihre Due-Diligence-Prozesse in den Mittelpunkt stellen.
Der Weg bis zum Gesetz
Die Europäische Kommission hat im Februar 2022 ihren Gesetzesvorschlag für die Corporate Sustainability and Due Diligence Directive (CSDDD) vorgelegt. Generell unterstütze ich diesen Schritt voll und ganz: Nur ein konsequentes, verbindliches Gesetz dieser Art kann wirklich dafür sorgen, dass Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards verboten und geahndet werden.
Dieses Gesetz markiert nämlich einen großen philosophischen Wandel im Denken darüber, was der Zweck eines Unternehmens ist. Früher glaubten wir, ihre Aufgabe bestehe lediglich darin, Gewinn zu machen. Mit diesem Lieferkettengesetz ist dies jedoch nicht mehr der Fall. Die Aufgabe eines Unternehmens besteht insofern darin, Gewinne zu erwirtschaften, aber ihre soziale Aufgabe ist es, für gerechte Löhne zu sorgen und Umweltschäden zu vermeiden.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission war ein guter Ausgangspunkt. Allerdings ging der Vorschlag bei der Festlegung eines soliden, wirksamen und nützlichen Umfangs der Sorgfaltspflicht nicht weit genug, da ihre Definition nicht weit genug gefasst war. Es entsprach nicht vollständig den internationalen Standards der Vereinten Nationen und der OECD. Das ist kontraproduktiv: ambitionierte Unternehmen folgen diesen Standards schon, und sie funktionieren in der Praxis gut.
Durch die Sicherstellung einer breiten Definition wird auch das übrige Gesetz anspruchsvoller und wirksamer. Durch einen großen Umfang der definierter Risiken erweiterte man den abgedeckten notwendigen Schutz und sorgte für umfassendere Haftungen und Strafen im Falle eines Verstoßes.
Die Fraktion Grüne/EFA verhandelte erfolgreich über eine verbindliche Gesetzgebungssprache im CSDDD. Dadurch konnten wir höhere Standards setzen und Missbrauchsopfern endlich Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es ist wichtig, dass wir diese Ambitionen hochhalten, während wir die Verhandlungen mit dem Rat angehen.
Meine Kritikpunkte und Forderungen
Ich bin der für das Gesetz zuständige Schattenberichterstatter der Greens/EFA im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit (DEVE).
Schattenberichterstatter*Innen werden von ihrer Fraktion im Parlament ausgewählt, um in den Verhandlungen für die Position der Fraktion zu vertreten. Sie suchen im Auftrag der Fraktion innerhalb des Ausschusses nach Kompromissen.
Ich setze mich für ein EU-weites Lieferkettengesetz ein, das an den internationalen Standards der Vereinten Nationen und der OECD ausgerichtet ist.
Hier könnt ihr eine Auswahl meiner Forderungen in den Verhandlungen finden:
Umweltrichtlinien müssen verbessert, konkretisiert und ausgeweitet werden.
Der Vorschlag der Kommissionen ging nicht weit genug: Negative Folgen für Klima und Natur wurden unter Bezugnahme auf die Umweltverträge im Anhang der Richtlinie definiert. Das ist ein guter erster Schritt, aber diese Verweise umfassten nicht das Pariser Abkommen und andere hochrangige Klimaabkommen. Die Kommission übte „Rosinenpickerei“ – der Gesetzesvorschlag enthielt nur Umweltverträge, die dem gesetzten Zweck entsprachen. Dieses kaum tragfähige Flickwerk aus Klimaverträgen hätte noch nicht einmal ansatzweise alle negativen Auswirkungen der Industrie auf die Natur abgedeckt.
Besonders wichtig ist, dass zusätzliche Klimaabkommen in den Text aufgenommen werden. Und wenn neue Klimaabkommen abgeschlossen werden, muss es möglich sein, diese durch einen delegierten Rechtsakt in die CSDDDD aufzunehmen. Sorgfaltspflichten und unternehmerische Verantwortung sollen durch verpflichtende CO2-Reduktionen konkretisiert werden.
Wir Grünen haben erfolgreich dafür verhandelt, dass das Pariser Abkommen und die Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsprozessen und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in die Position des Parlaments aufgenommen wurde.
Geltungsbereich muss ausgeweitet werden
Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission wären nur etwa 1 % der europäischen Unternehmen von der CSDDD betroffen. Der Grund dafür liegt in der vorgeschlagenen Größe der betroffenen Unternehmen und deren Profiten – nur so genannte Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Gewinn von über 150 Millionen müssten die Sorgfaltspflichten erfüllen. In den Verhandlungen konnten wir nicht nur diesen Schwellenwert erhöhen, sodass auch Firmen ab 250 Mitarbeitern betroffen sind, sondern haben uns auch erfolgreich für die Einbeziehung der Tochtergesellschaften eingesetzt.
Selbst in den sogenannten „Branchen mit hohem Risikopotenzial“, etwa in der Textilindustrie, der Landwirtschaft oder im Bergbau, müssten nur Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Jahresgewinn von 40 Millionen den neuen Standards folgen.
Es liegt im Interesse jedes Unternehmens, Due-Diligence-Prozesse zu verfolgen. Das Gesetz sollte jedoch in erster Linie auf Unternehmen mit großen Auswirkungen abzielen – etwa Großunternehmen und Hochrisikosektoren wie Bergbau, Textilien und Landwirtschaft. In den Verhandlungen weiteten wir Grünen diesen Kreis der Hochrisikounternehmen auf den Energie-, Bau- und Finanzsektor aus.
Die Standards der Sorgfaltspflichten sollten möglichst eng an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) angeglichen werden. Dies würde das gleiche Wettbewerbsumfeld und die gleiche Rechtsklarheit gewährleisten.
Verpflichtende Einbeziehung betroffener Gruppen
Unternehmen sollten regelmäßig mit Gruppen zusammenarbeiten, die möglicherweise von ihren Aktivitäten betroffen sein könnten. Dabei handelt es sich einerseits um Mitarbeiter*innen, aber auch um Menschen, die beispielsweise durch den Bau einer neuen Pipeline, Abwässer oder gesundheitsschädliche Gase aus einer Fabrik betroffen sind. Der Vorschlag der Europäischen Kommission verweist lediglich auf einen freiwilligen Austausch.
Betroffene Gruppen erhalten durch das Lieferkettengesetz einen Platz am Verhandlungstisch und bekommen die Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Unternehmensangelegenheiten zu nehmen, die sie betreffen. Sie werden befähigt, (einen Teil) der Entscheidungsbefugnis und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, die den betroffenen Gruppen häufig entzogen wird. Entscheidungen werden über ihren Kopf hinweg getroffen und sie werden aus dem Informationsfluss herausgehalten.
Wir Grünen appellieren dafür, dass indigene Völker einbezogen werden: und zwar nach dem Konzept der freien, vorherigen und informierten Zustimmung. Jüngste Entwicklungen wie das Willow-Projekt haben gezeigt, dass dies ein absolut entscheidender Schritt zur Festigung eines ganzheitlichen Due-Diligence-Prozesses ist.
Das Lieferkettengesetz muss für alle Geschäftsbeziehungen gelten
Der momentane Vorschlag gilt nur für sogenannte „beständige“ Geschäftsbeziehungen. Dies kann für Unternehmen der Anreiz sein, häufig Zuliefer*innen oder andere Partner*innen in ihrer Lieferkette zu wechseln. Es ist schwieriger nachzuprüfen, welcher Bestandteil der Lieferkette für eventuelle Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Dazu kommt, dass es Unsicherheiten für die Unternehmen im jeweiligen Land bedeutet. Um den Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu verbessern, braucht es daher ein Gesetz, das alle Geschäftsbeziehungen umfasst.
Meine Rede zum EU-Lieferkettengesetz:
@polit.pilot Was haben wir damit zu tun, wenn in Bangladesh eine Firma einbricht? Oder in Brasilien ein Damm bricht? Oder in Uganda Menschenrechte verletzt werden? Welche Verantwortung wir tragen soll zukünftig ein europäisches Lieferkettengesetz klären. Das haben wir letzte Woche im Plenum beschlossen. Gegen Lobbyarbeit, gegen laute konservative Stimmen ABER für soziale und ökologische Nachhaltigkeit in Produkten, die überall auf der Welt produziert werden. In der Rede appelliere ich an alle Abgeordneten dem Vorschlag zuzustimmen. #lieferkette #nachhaltigkeit #europaparlament #politik #eupolitik #gruene #gruenepolitik #mitdir #lieferkettengesetz #fyp #politiktok
♬ Pieces (Solo Piano Version) - Danilo Stankovic
Hier findest du mehr Informationen zum EU-Lieferkettengesetz: www.greens-efa.eu/de/artikel/press/word-leading-binding-rules-take-shape